Auf den Spuren von Bentele durch Oberstaufen spazieren

Wir laden Sie herzlich ein zu einem Spaziergang auf den Spuren der Bildhauer Fidelis Bentele und Georg Bentele-Ücker durch Oberstaufen: virtuell oder ganz real, ganz wie Sie möchten. Es wäre doch schade, wenn Sie die inspirierende Begegnung mit den beiden Künstlern dem Zufall überlassen würden. 

International bekannt, in Oberstaufen zuhause

Bevor wir losgehen, möchten Sie sich vielleicht noch grundlegend über das Leben und Werk der beiden Künstler informieren, die in Oberstaufen gelebt und gearbeitet haben und bereits zu Lebzeiten international Anerkennung erfahren haben. Dazu haben wir bereits Material in einem vorangehenden Blogpost für Sie zusammengestellt. Der Weg, den wir Ihnen durch durch Ort vorschlagen, erstreckt sich etwa über knapp sieben Kilometer. Sie können ihn gemütlich in zwei Stunden ablaufen. Wir empfehlen Ihnen allerdings deutlich mehr Zeit mitzubringen und die Skulpturen in ihrer jeweiligen Umgebung in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Es lohnt sich! Der Kurator hat bei der Platzierung der Skulpturen ein besonders gutes Gespür bewiesen. Vielleicht möchten Sie sich zu unterschiedlichen Tagen und Zeiten auch ausgewählten Teilstrecken intensiver widmen, zum Beispiel dem Besuch der Dauerausstellung. Oder Sie nehmen unsere Übersicht einfach als Anregung, um beim nächsten Einkaufsbummel en passant mal etwas genauer hinzusehen.  Los geht’s!

Rund um Kirche und Rathaus in der Ortsmitte

Wir starten vom Hof unseres Anwesens, halten uns links und gehen die Hugo-von Königsegg-Straße an der Kirche vorbei. Vor dem katholischen Pfarramt an der Abzweigung der Bahnhofstraße stoßen wir auf die erste Skulptur: eine „Frau mit Kind“ von Georg Bentele-Ücker. Wir überqueren die Straße zum Kirchplatz und Café Lässer und kommen in der Fußgängerzone am Kriegerdenkmal vorbei, eine lebensgroße Steinskulptur, die auf einen Entwurf von Fidelis Bentele zurückgeht und von Georg Bentele-Ücker umgesetzt wurde. Nur wenige Schritte weiter befindet sich am Seitenausgang der Kirche eine Skulptur des Heiligen Christophorus, dem Schutzpatron der Reisenden und Pilger. Weiter geht es geradeaus bis zum Rathaus. Direkt am Haupteingang entdecken wir die Skulptur „Zwei Musizierende“ von Georg Bentele-Ücker. Ein weiteres Werk aus seiner Hand steht auf einem Sockel in der Parkanlage vor dem Rathaus: „Der Butz“. Bei ihm handelt es sich um eine Figur, die beim Staufner Fasnatziestag eine wichtige Rolle spielt. Vor dem Schmuckgeschäft Hollfelder sitzen am Rand eines Brunnens zwei weitere Skulpturen von Bentele-Ücker: ein Mädchen und ein Hirtenjunge aus Privatbesitz. 

Evangelische Kirche und Johann-Schroth-Park

Wir schlendern weiter an Cafés und Geschäften vorbei die Hugo-von-Königsegg-Straße entlang bis zur evangelisch-lutherischen Kirche, die für Besucher geöffnet ist. Hier können wir im Altarraum zwei Bentele-Werke bewundern, die dort 1970 ein altes Holzkreuz ersetzt haben. Da ist zum einen der weise „Abraham“ mit langem Haar und Bart als Wandrelief. Dem Altar zugewandt scheint er sich mit einem Schritt nach vorn auf den Weg zu machen, mit leeren, geöffneten Händen darauf vertrauend, dass er die Gnade Gottes empfangen darf. Zum anderen sehen wir eine Christus-Figur, die die Arme waagrecht zum Segen erhebt. Die Form des Kreuzes ist deutlich erkennbar, aber es ist kein Gekreuzigter, den wir hier vor dem modernen Altarbild mit den Jüngern sehen, das der Maler Hubert Distler 1956 geschaffen hat. Stattdessen scheint sich Christus schützend vor seine Anhänger und Gläubigen zu stellen. 

In der neu gestalteten Parkanlage gleich neben der Kirche erinnert eine Gemeinschaftsarbeit aus Stein von Bentele und Bentele-Ücker an „Johann Schroth“, den Erfinder der Schrothkur, einem Naturheilverfahren, das wesentlich zur Entwicklung des Tourismus in Oberstaufen als weltweit einzigem Schroth-Heilbads beitrug. Daneben informiert eine Gedenktafel über Fidelis Bentele

Im Oberstaufen PARK

Unsere nächste Station ist der Oberstaufen PARK. Linkerhand am Fuße des Kapf ist eine lebensgroße Bronzeskulptur platziert, die den Titel „Berggeister“ trägt. Entwurf und Ausführung stammen von Fidelis Bentele. Kurator Peter Scheu hält es auch für möglich, dass es sich um aufgebrachte Bauern handeln könnte, die im Jahr 1525 bei den Aufständen das Staufer Schloss niedergebrannt haben. In der Tat hält eine der vier verschrobenen Figuren, die sich über ein Gebäude mit abgebranntem Dachstuhl beugen, eine brennende Fackel in der Hand. 

Wir folgen dem Weg Richtung Musik-Pavillon am Kurhaus. Dort ist passender Weise „Der Faun“ (Entwurf und Ausführung: Fidelis Bentele) platziert, ein Panflöte spielender, gehörnter Waldgeist mit Bocksfuß in Begleitung einer Ziege.

Vor dem Parkhotel ruht unter einem mächtigen X-Baum „Der Seher“ (Entwurf: Fidelis Bentele, Ausführung: Georg Bentele-Ücker). Wie ein Staufner Buddha sitzt er da, mit geschlossenen Augen, in sich gekehrt, meditierend, ganz bei sich, im Hintergrund das Panorama der Nagelfluhkette. 

Bevor wir den Oberstaufen PARK verlassen, statten wir dem „Zaubermichl“ am Kinderspielplatz noch einen Besuch ab. Mit dieser Figur setzt Georg Bentele-Ücker einem echten Staufner Original ein Denkmal. Bösartige Unterstellungen bezichtigen ihn, den Kinder- und Menschenfreund, ungerechtfertigt des Missbrauchs, worauf er tragischerweise durch Suizid seinem Leben ein Ende setzt.

Wir verlassen den Oberstaufen PARK auf dem Weg zwischen Kurhaus und Parkhotel und gehen geradewegs auf eine Mädchenfigur aus der Werkstatt der Benteles zu, die sich in einem privaten Garten befindet. 

Ein Abstecher zum Stammsitz der Weißachtal-Kraftwerke in der Argenstraße

Wer möchte, folgt der Argenstraße bis zum Ortsende. Der Abstecher gilt der ausdrucksstarken Figur „Urkraft“ bzw. „Die Welle“, die vor dem Stammsitz der Weißachtal-Kraftwerke einen passenden und sinnbildlichen Platz gefunden hat. Der Entwurf stammt von Fidelis Bentele, die Ausführung machte Georg Bentele-Ücker.

Übers Bentele-Haus und die Fidelis-Bentele-Straße zur Schule

Jetzt machen wir einen Schlenker zur Grund- und Mittelschule Richtung Kalzhofen. Dabei durchqueren wir den zum Süden ausgerichteten Sonnenhang des Ortes, der mit zahlreichen Hotels und großzügigen Wohnhäusern bebaut ist.

In der Jahnstraße 9 befindet sich das ehemalige Bentele-Haus (heute: Haus Fidelis, privat). Hier wohnten und arbeiteten die beiden Künstler bis zu ihrem Lebensende. An der Gartentür sitzt ein Gockel, gestaltet von Georg Bentele-Ücker. Und auch ein Frauenkopf auf dem Rasen erinnert an seine früheren Besitzer. Wer genau hinsieht, der sieht: Hier wohnt ein Bentele-Bewunderer. 

Wir gehen weiter zur Fidelis-Bentele-Straße, die die Marktgemeinde im Jahr 1972, noch zu seinen Lebzeiten, ihrem Heimatkünstler gewidmet hat. An der Abzweigung zur Bürgermeister-Hertlein-Straße befindet sich die Skulptur „Hoffnung“. Auf der Kalzhofer Straße geht es ein Stück aus dem Ort hinaus bis zur Grund- und Mittelschule. Auf dem Vorplatz thront in einer Blumenrabatte eine Skulptur von Georg Bentele-Ücker. Sie zeigt ein Mädchen mit einem Rekitz und trägt den Titel „Brüderlein und Schwesterlein“ in Anlehnung an das namensgleiche Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm.  

Dauerausstellung "Entwurf & Ausführung, Bentele | Bentele-Ücker"

Kehrtwende. Es geht die Kalzhofer Straße entlang zurück in den Ort. Und zwar bis zum Museumsgelände „Beim Strumpfar“. Dort ist in der Alpe Vögelsberg die Bentele-Dauerausstellung „Entwurf & Ausführung, Bentele | Bentele-Ücker“ untergebracht. Ein Besuch dort ist ein Muss für jeden kunstliebhabenden Gast und Bentele-Verehrer. 

Dauerausstellung
"Entwurf & Ausführung, Bentele | Bentele-Ücker"

In der Dauerausstellung auf dem Museumsgelände „Beim Strumpfar“ in Oberstaufen erhalten Besucher einen Einblick in das umfangreiche Vermächtnis der beiden Künstler. In dem 80 Quadratmeter großen Raum können etwa 50 Objekte im Original betrachtet werden, weitere 150 werden digital präsentiert. Sie sollen einen Eindruck vom Querschnitt des Schaffens der beiden Künstler vermitteln.

Die Bentele-Ausstellung befindet sich in der Alpe Vögelsberg, Kalzhofener Straße 14, 87534 Oberstaufen. Besichtigung nach telefonischer Vereinbarung unter 08325-511.

Während wir im öffentlichen Raum vor allem auf Großplastiken treffen, können wir uns hier vom der Kunstfertigkeit der Benteles bei kleineren Werken überzeugen. Beeindruckend etwa ist die Porträtgalerie mit den Büsten berühmter Persönlichkeiten. Auch eine Weihnachtskrippe ist zu sehen, um die sich eine mysteriös-rührende Geschichte rankt. Aber die erzählen wir Ihnen ein anderes mal. Wenn Sie Glück haben, und in der Ausstellung auf Peter Scheu treffen, dann lassen Sie sich diese und weitere Anekdoten rund um das Leben und Werk von Fidelis Bentele und Georg Bentele-Ücker persönlich erzählen. Er widmet sich ehrenamtlich mit viel Herzblut der Kuration des Nachlasses und dem Andenken der beiden Künstler, die er persönlich gekannt hat. 

Die Menge an Information und Eindrücken gilt es erstmal sacken zu lassen. Das können Sie im Gasthaus „Beim Strumpfar“ tun. Oder bei schönem Wetter auf einer Bank in der schönen Grünanlage mit Teich und Wasserlauf. Klar, dass auch hier ein Bentele zu entdecken ist. Achten Sie auf den „Gänsehirtenbrunnen“.

Auf dem Friedhof - die letzte Station

Unsere letzte Station führt uns über den Jugetweg auf den Friedhof, wo Fidelis Bentele (26.08.1905-08.06.1987) und Georg Bentele-Ücker (06.03.1931-21.12.2014) in einem gemeinsamen Grab beigesetzt sind. Es befindet sich rechts in der Nähe der Kapelle, direkt an der Friedhofsmauer. Der Grabstein wurde von Georg Bentele-Ücker persönlich gefertigt. Die Skulptur „Geschwisterliebe“, ebenfalls aus seiner Werkstatt, steht stumm kommentierend daneben. Sie zeugt von der ungewöhnlich engen und symbiotischen Beziehung dieser beiden Künstler zueinander, die schließlich sogar durch familiäre Bande gekrönt wurde.

Bleiben Sie ruhig ein bisschen und sehen Sie sich um. Friedhöfe haben so viele Geschichten zu erzählen. An der Aussegnungshalle werden Sie noch den „Hirtenbrunnen“ entdecken. Nicht zu übersehen ist auch die Christusfigur am steinernen Grabmal der Dillinger Franziskanerinnen. Auch die Priester im Ort haben sich von den Benteles einen Grabstein anfertigen lassen. 

Wenn Sie mögen, machen Sie noch einen Schlenker zum Ortseingang. Die prominent platzierten Posaunenspieler des „Weckruf“ (Entwurf und Ausführung: Georg Bentele-Ücker) haben Sie bei Ihrer Anreise schon begrüßt. 

"Der Weckruf" von Georg Bentele-Ücker am Ortseingang von Oberstaufen

Und bevor Sie zurück ins Haus gehen und es sich in Ihrem Appartement gut gehen lassen, gehen Sie noch ein paar Schritte zum Marienplatz und sehen Sie sich dort um. An der Hauswand eines Privathauses befindet sich das Relief einer Madonna mit Sternen.

Madonna mit Sternen - Relief an einer Hauswand in Oberstaufen

Wenn Sie nun noch nicht genug von den Benteles haben, dann empfehlen wir Ihnen Lektüre zum Nachlesen sowie einen Spaziergang mit Pfarrer Andreas Waßmer, bei dem Sie weitere Impulse erhalten und sich mit anderen über Ihre Eindrücke austauschen können.

Veranstaltungstipp

Unter dem Motto „Blicköffner | Atempausen“ bietet Andreas Waßmer, der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Oberstaufen, Spaziergänge auf den Spuren von Fidelis Bentele und Georg Bentele-Ücker durch den Ort an. Dabei erzählt er über Leben und Werk der Künstler, gibt inspirierende und tiefgründige Impulse zum Nachdenken und kommt so ins Gespräch mit seinen Begleitern. Die aktuellen Termine erfahren Sie im Veranstaltungskalender der Kirchengemeinde oder bei der Touristeninformation.

Christus - Skulptur von Bentele in der evangelischen Kirche in Oberstaufen